„Ich verlor meinen Namen und bekam eine Nummer“

Eine Lesung über Eugen Grimminger und seine Frau, gebürtige Michelbacherin und Jüdin verleiht dem Tag des offenen Denkmals eine besondere Note. Präsentiert von Juliane Lang, Jochen Narciß-Sing und Archivar Folker Förtsch.

Juliane Lang bei ihrer erlebnisnahen Lesung. Vor ihr: der graue Hut aus Zeiten Eugen Grimmingers - ein Original vom Crailsheimer Stadtarchiv.
Juliane Lang stellt mit Folker Förtsch (links) und Jochen Narciß-Sing an der Geige Eugen Grimmingers Aufzeichnungen in der ehemaligen Synagoge Michelbach vor. 

„Ich kam ins Zuchthaus nach Ludwigsburg – nur 20 Kilometer von daheim entfernt. Ich war erleichtert“, liest Juliane Lang aus den Aufzeichnungen Eugen Grimmingers. Die Schauspielerin aus Bern verleiht den Worten des Unterstützers der „Weißen Rose“ durch ihre eindringliche Darbietung besondere Intensität. Im Rahmen des „Tags des offenen Denkmals“ füllt sie gemeinsam mit dem Geiger Jochen Narciß-Sing und dem Moderator, Crailsheims Stadtarchivleiter Folker Förtsch, die Synagoge in Michelbach mit Leben.

Das Programm verbindet historische Texte mit Musik jüdischer und europäischer Komponisten. Neben Werken von Grazyna Bacewicz, Erwin Schulhoff und John Williams erklingt auch Schuberts „Der Tod und das Mädchen“. Viele Besucher aus Michelbach und Umgebung nehmen teil – auch deshalb, weil Grimmingers Frau Jenny Stern gebürtige Michelbacherin war.

Juliane Lang, Schauspielerin aus Bern bei ihrer erlebnisnahen Lesung
Juliane Lang bei ihrer erlebnisnahen Lesung. Vor ihr: der graue Hut aus Zeiten Eugen Grimmingers - ein Original aus dem Crailsheimer Stadtarchiv. Auf dem Bild sind Eugen Grimminger und seine Frau Jenny Stern zu sehen.

Unter dem Titel „Eugen Grimminger – Häftling Z 119/43“ lässt Juliane Lang das Publikum an der bedrückenden Gefühlswelt des Widerstandskämpfers teilhaben. Seine Aufzeichnungen aus dem Gestapo-Gefängnis in München und dem Zuchthaus Ludwigsburg spiegeln Verfolgung, Erniedrigung und Zweifel. Gestik, Mimik und musikalische Einlagen steigern die Dramatik.

Eugen Grimminger, enger Unterstützer der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ um Hans Scholl, wird am 2. März 1943 festgenommen.

Mit seiner Inhaftierung verliert seine jüdische Ehefrau Jenny Stern den Schutz der „privilegierten Mischehe“. Die gebürtige Michelbacherin ist 1895 geboren und wird nach der Verhaftung ihres Mannes selbst verhaftet und nach Auschwitz deportiert.
„Ihr seid der Abschaum unter uns Menschen – ihr seid Juden“, lautet ein Zitat, das während der Lesung erklingt. Das jüdische Volk quälen Selbstzweifel: „Wenn wir Schuld am Elend sind, ist es dann nicht unsere Pflicht zu gehen?“

Eugen Grimminger finanziert die Flugblattaktionen der Scholls mit erheblichen Beträgen, fälscht nach der Reichspogromnacht Papiere und hilft jüdischen Familien bei der Flucht. „Ich konnte es nicht mehr mit ansehen – amtliche Morde, staatlicher Raub. Die Träger solcher Regime müssen vernichtet werden“, notiert er. „Ich lehne Gewalt in jeder Form ab. Ich bin Pazifist aus ethischen Gründen.“ Im zweiten Prozess gegen die „Weiße Rose“ wird er zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. „Ich verlor meinen Namen und bekam eine Nummer – Z 119/43.“
Seine Frau wird am 2. Dezember 1943 in Auschwitz ermordet. Grimminger bricht zusammen und versucht sich das Leben zu nehmen – überlebt aber und wird von den französischen Truppen befreit. 

Förtsch, Narciß-Sing und Lang berühren das Publikum spürbar. „Ich hatte Herzklopfen von Anfang bis Ende“, gesteht Hannelore Seibold vom Förderverein Gedenkstätte ehemalige Synagoge Michelbach. 

Schauspielerin Juliane Lang aus Bern

Musiker Jochen Narciß-Sing an der Geige

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