Tränen und Hoffnung im Exil
Am 24. August feiert die Ukraine ihre Unabhängigkeit. Auch in Altenmünster kommen viele Angehörige zusammen. Musik, bewegende Worte und Tradition machen die Hoffnung und Verbundenheit spürbar.
Ukraine, 24. August 1991: Nach dem gescheiterten Moskauer
August-Putsch erklärt die Werchowna Rada, das ukrainische Parlament, die
vollständige staatliche Unabhängigkeit des Landes. Seitdem ist der
Unabhängigkeitstag ein starkes Symbol für nationale Identität. Genau diesen Tag
feiert der Verein Stärke der Einheit in der Friedenskirche Altenmünster – mit
zahlreichen musikalischen Beiträgen auf E-Gitarre, Querflöte und Klavier. Viele
Ukrainerinnen, Ukrainer und Interessierte finden den Weg zu einer gelebten Tradition.
„Von 15 Republiken war die Ukraine die größte. Bis 1921 war
sie unabhängig, danach von Russland besetzt. Bis 1991 blieben wir Teil der
Sowjetunion – am 24. August endete es“, berichtet Illia Modenov. Der 42-Jährige
lebt seit Februar 2023 mit seiner Frau, zwei Kindern und dem Familienhund in
Crailsheim. Der Familienvater erklärt, dass Russland noch heute behaupte,
Ukrainer und Russen seien „ein Volk“. Diese Meinung vertritt Modenov nicht:
„Wir wollen frei und unabhängig leben. Russland und wir sind kein gemeinsames
Volk.“ Russland betrachte das Land noch heute als Staat zweiter Klasse. „Wir
wollen den Menschen unsere Werte und Wurzeln vermitteln sowie die Identität des
Landes bewahren.“
In der Begrüßungsrede übersetzt der gebürtige Ukrainer bewegende
Worte: „Es ist lange her, dass die Ukraine einen strahlenden Sommer hatte. Sie
weint, ist aufgebracht – aber gibt nicht auf. Trotz der Tränen und dem Schmerz,
feiern wir heute den Unabhängigkeitstag.“
Auf einer Leinwand erscheint ein Video aus Mariupol – einer vom
Krieg gezeichneten Stadt am Meer. In den Gesichtern: Verzweiflung und Angst.
Doch die Feier wird von ukrainischen Liedern begleitet, die Hoffnung und
Glauben verkörpern.
Liliana Todorova, einst Musiklehrerin in der Ukraine und
seit vier Jahren in Deutschland, bringt ihre Leidenschaft zur Musik ein. Ob als
Chorleiterin in Satteldorf oder am Klavier – sie lebt Musik mit voller Hingabe.
An diesem Tag berührt sie die Gäste mit Liedern, die gefallenen Soldaten und
unschuldigen Kindern gewidmet sind. Ein Stück erzählt den Brief eines
gefallenen Soldaten an seine Mutter. Viele Zuhörer erheben sich, sichtlich
bewegt von ihrer Darbietung.
Während der gesamten Feier prangen die deutsche und die
ukrainische Flagge auf der Leinwand. Auch Kinder beteiligen sich mit Flöten-
und Klaviervorspielen – sogar mit „Perfect“ von Ed Sheeran, das Liebe und tiefe
Verbundenheit ausdrückt.
„Die Ukraine war über Jahrhunderte von wechselnden
Großmächten wie Polen, Litauen oder Russland beherrscht“, erklärt Anastasia
Kosak, Vorsitzende der Deutsch-Ukrainischen Gemeinschaft Heilbronn (DUG HN).
Ihre Eltern waren Zwangsarbeiter in Oedheim, wo Kosak selbst in einer Baracke
zur Welt kam. Mit Stolz erzählt sie: „Das ukrainische Wappen mit dem Dreizack
ist über 1000 Jahre alt – und ziert bis heute unsere Münzen.“
Zwischen den Reihen findet sich gelebte ukrainische
Tradition: aufwändig bestickte Röcke und Trachten. Für viele der kunstvollen
Stickereien sorgt Oksana Ihnatenko, die 2022 aus Kiew nach Deutschland kam. „In
der Ukraine war ich 30 Jahre Buchhalterin. Nun hoffe ich, durch meine Weiterbildung
in Deutschland hier Arbeit zu finden“, erzählt sie. Ihre Stickereien und die
traditionelle Korallenkette um ihren Hals tragen für sie ein Stück Heimat in
sich.
Der Verein Stärke der Einheit besteht erst seit einem Jahr,
konnte aber bereits zahlreiche Hilfsprojekte umsetzen. Vorsitzende Alla
Bakhmisova betont die enge Zusammenarbeit mit der DUG HN und dankt den
freiwilligen Helfern. „Wir konnten zahlreichen Bedürftigen dabei helfen, ihre
Richtung einzuschlagen. Freiwillige Helfer geben kostenlosen Unterricht und
fördern die Kinder.“ Sie dankt der deutschen Gesellschaft: „Danke, Deutschland,
für Schutz und Unterstützung in dieser Zeit.“
In einer Atmosphäre der Verbundenheit zeigt sich: Trotz
Krieg tragen die Ukrainerinnen und Ukrainer ihre Werte, ihre Musik und ihre
Traditionen weiter – als Zeichen dafür, dass Freiheit und Gemeinschaft keine
Grenzen kennen.
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