Ohne Umhang, aber mit Herz - Ein wahrer Held unter uns

Über Mut und Nächstenliebe - Wir kennen Helden aus Filmen oder dem Sport. Ein Vater kann für seinen Sohn ein Held sein. Helden begegnen uns auf unterschiedliche Weisen im Leben und inspirieren uns. 

 

Superman trägt einen roten Umhang und befreit die Welt von Bösewichten. Nebenbei arbeitet er alias Clark Kent bei einer Zeitung. Möglich?

 
Jesse Owens war 1936 Olympiasieger und setzte ein Zeichen gegen Rassismus. Mutig?


Heute bin ich zu Besuch bei Robert Hoppe (42) in Uttenhofen, Baden-Württemberg. Er ist Familienvater, Berufsfeuerwehrmann in Stuttgart, Oberlöschmeister der freiwilligen Feuerwehr Rosengarten, Ehrenamtler bei M.U.T. – Mitmachen und teilen e.V. und Unterstützer des evangelischen Jugendwerks Schwäbisch Hall. Im Rahmen von M.U.T. fährt er regelmäßig nach Rumänien und arbeitet an der Kindertagesstätte Bulgarus. Er verhilft Bedürftigen in Romadörfern zu einem besseren Leben, bietet den Kindern im 1996 erbauten Casa de copii (Haus der Kinder) Perspektiven und ein Zuhause. Neben Rumänien hilft er in Togo, Afrika. Nebenberuflich arbeitet Robert als selbstständiger Schreiner.


Wir sitzen auf dem Sofa im Spielzimmer seiner Kinder. Robert lehnt sich zurück und wartet auf seine Fragen. Zuvor hatte er noch nie ein Interview, doch er ist nicht nervös, da er gerne über seine Arbeit spricht, um andere teilhaben zu lassen.


Erzähl uns von deinem gefährlichsten Feuerwehreinsatz. Was ging dir durch den Kopf?

 
Gefährlichster Feuerwehreinsatz ist schwierig zu sagen. Was ist gefährlich, was ist nicht gefährlich. Ein Einsatz der harmlos aussieht, kann auf einmal gefährlich werden, weil sich irgendwas ändert oder weil einer meint er muss auf dich losgehen und du wirst angegriffen. Es kann auch sein, dass es gefährlich ist in eine Brandwohnung zu gehen. Dafür sind wir aber ausgebildet. Ich denke ein Einsatz, wo man schon nervlich ziemlich angespannt war, war ein Tiefgaragenbrand im Zentrum Stuttgart, weil man einfach schon allein eine Dreiviertelstunde vom Eingang der Tiefgarage bis zum Brandherd gebraucht hat. Man hat immer gewusst, dass man zurück genauso lange braucht. Das ist dann schon ein komisches Gefühl, wenn du weißt es kann jederzeit etwas kaputt gehen und du hast keine Chance mehr rauszukommen, sag ich mal. Wir hatten etwa 800 Grad Raumtemperatur und null Sicht. Das heißt direkt an der Scheibe der Maske war Endegelände. Wir haben auch die PKWs wirklich erst gefunden, als wir mit dem Helm dagegen geschlagen sind. Da rufst du das ab, was du vorher gelernt hast. Das heißt, zack. Da denkst du nicht nach. Da macht man einfach. Es geht automatisch, man denkt nicht darüber nach. Man ist ganz beim Einsatz.


Wie schaffst du es schlimme Erlebnisse während eines Einsatzes nicht mit nach Hause zu nehmen?

 
Also die meisten Einsätze werden irgendwann zur Routine. Das läuft halt und fertig. Wenn du Einsätze hast, die dann doch nicht Routine sind, sag ich mal, dann ziehe ich meine Handschuhe ganz bewusst aus und streife damit den Einsatz ab. Jeder muss da seinen eigenen Weg finden. Da mache ich nicht bloß Klatsch, Klatsch runter, sondern ich ziehe sie wirklich bewusst aus und streife alles ab. Was auch hilft ist schwarzer Humor. Außenstehende sagen dann immer: „Was für Idioten bei der Feuerwehr.“ Auf der Wache wird dann über den Einsatz und die schweren Schicksale eher flapsig gesprochen oder einmal gelacht oder ein Witz gemacht. Es ist aber einfach nachgewiesen, dass schwarzer Humor die beste Möglichkeit ist, dramatische Erlebnisse zu verarbeiten. Dadurch, dass die Feuerwehr Stuttgart 19.000 Einsätze pro Jahr fährt, kommt das halt bei uns täglich fünfmal vor. Wenn es blöd läuft, hast du keine andere Chance als schwarzen Humor oder dir irgendein Ritual zu überlegen. Manche setzen sich auch ins Lesezimmer und lesen die Bibel, andere rufen um 3 Uhr nachts ihre Frau an und fragen, wie voll die Regentonne geworden ist. Dann weiß die Frau genau: Okay der Einsatz war wieder scheiße.


Mit einer Frau, zwei Töchtern (9 und 11 Jahre) sowie einem Sohn (6 Jahre) interessiert mich: Wie kann man sich Robert als Familienvater vorstellen?


Ich sag mal so: Wenn die Kinder gut mitmachen, dann bin ich lustig. Natürlich muss man auch mal streng sein und den Kindern eine Richtung vorgeben. Bei uns funktioniert es eigentlich ganz gut. Ich versuche ja das intensiv zu nutzen, wenn ich mit den Kindern daheim bin und versuche es schon auf die freundliche Art. Nicht wie ein Vorgesetzter oder wie man das sagen mag. Aber klar, ein Kind braucht auch klare Schranken und dann muss das auch so sein. Das funktioniert in der Regel auch.


Erst gestern bist du wieder von einer Rumänientour zurückgekehrt. Mit der Unterstützung von vier Einheimischen habt ihr in einem Romadorf das Fundament für ein Haus ausgehoben, den Boden begradigt, eine Bodenplatte für den Anbau betoniert und einen Ofen installiert. Es entstand ein Plan, der von der Berufsschule in Schwäbisch Hall umgesetzt wird. In der Kita Zabrani habt ihr Erdbebenschäden behoben. Außerdem hast du mit der Feuerwehr Zabrani eine Übung auf dem Kitagelände durchgeführt. Was bedeutet dir die Arbeit dort?


Ich kann´s mir ohne nicht vorstellen. Dadurch, dass ich schon mit 13 Jahren das erste Mal in Rumänien war, bin ich damals schon unter den Kinderheimkindern groß geworden. Die waren dann auch in meinem Alter und dann sind wir halt zusammen auf das Dorffest gegangen oder irgendwo auf den Jahrmarkt, wenn es da was gegeben hat. Von dem her ist das für mich schon ein Stück Familie und ich kenne halt so viele im Dorf.


Dein Team aus Ehrenamtlern beschreibt dich als hilfsbereit, arbeitswütig, offenherzig, gütig, direkt, kreativ, inspirierend und optimistisch. Eben ein Arbeitstier, ein Mann mit viel Power, ein Improvisationstalent, Organisationsgenie, ein Mann mit Herz. Im Gegenzug hibbelig, chaotisch, ungeduldig und knallhart, wenn es sein muss. Wie siehst du dich?


Das ist immer schwierig zu sagen. (lacht)
Da stimmt sicher Vieles und für den einen oder anderen sieht es auch manchmal chaotisch aus. Ich versuche aus der Rumänienzeit das Maximum rauszuholen. Wenn man Organisationssachen macht, dann muss man ganz oft auf Sachen reagieren, die kurzfristig dazwischenkommen, weil irgendwelches Material nicht geliefert wird. Die Rumänen haben es auch nicht so mit der Uhr. Wenn einer zu mir sagt 10:00 Uhr kommt der Sand, dann kann ich froh sein, dass er bis 15 Uhr da ist und dann musst du halt immer wieder den Plan umschmeißen, damit kein Leerlauf entsteht. Man zieht irgendetwas vor oder schiebt es um. Wir haben schon alle möglichen Sachen gehabt. Eine Frau stand auf einmal vorm Tor. Bei ihr ist der Hausgiebel umgefallen. Sie hatte von jetzt auf gleich kein Haus mehr. Dann haben wir reagiert, Sandsteine organisiert und einen Maurer, der das Ding wieder aufmauert, dass sie mit ihren Kindern wieder ein Dach über dem Kopf hatte. Das bringt den ganzen Tagesablauf durcheinander. Es kommt jemand und sagt: „Hey die Gemeinde sagt wir müssen raus aus unserem Haus. Wir werden obdachlos.“ Du schmeißt deinen ganzen Tagesplan über den Haufen, fährst auf die Gemeinde und versuchst mit dem Bürgermeister oder dem Verantwortlichen vom Amt eine Lösung zu finden. Das muss ich natürlich auf meine Handwerker übertragen, weil sich für die dann auch manches umstellt. Das wirkt natürlich schon chaotisch, aber wir haben halt nur diese vier Tage, die wir jetzt unten waren und die Zeit muss für das, was wir uns vorgenommen haben reichen. Zum anderen muss miterledigt werden, was dazu kommt, weil wir mit Spendengeldern umgehen. Da kann ich nicht heimfahren und sagen: „Ja, jetzt sind wir halt nicht ganz fertig geworden.“ Das heißt, wenn ich da einen Ofen in eine Wohnung stelle und mache ein Loch durch die Wand und baue das Ofenrohr aber nicht dran, hat die Familie keinen Nutzen von dem Ofen. Es macht niemand. Wo sollen die Leute ein Ofenrohr herkriegen oder wie sollen sie den Handwerker bezahlen… Sie wissen um 11 Uhr nicht mal, was sie um 12 Uhr den Kindern zum Essen geben sollen oder, ob es überhaupt was gibt. Was wir anfangen, bringen wir zu Ende. Es muss nutzbar sein, sonst hat das Anfangen schon gar nichts gebracht.


Wie bekommst du das alles unter einen Hut?


Ein Freund von mir hat mal gesagt: „Ich habe einen ziemlich großen Hut.“ (lacht) Okay, ich kann es dir auch nicht sagen, wie es läuft. Zum einen hält mir meine Frau Eva ziemlich den Rücken frei, wenn es dann auf ein Projekt zugeht. Zum anderen habe ich viele Leute in M.U.T., die da mithelfen. Auf die kann ich mich zu 100% verlassen. Wenn ich zu denen sage, das und jenes muss man erledigen und die sagen „ja“, dann kann ich es von meiner Liste streichen und irgendwie liegt mir Organisation. Ich kann mehr in einen Tag reinpacken, als vielleicht andere.


Wie warst du als Kind?


Ich war immer fort. Ich war halt in der Schule, dann kam ich heim, Schulranzen in die Ecke und mit Müh und Not noch die Hausaufgaben gemacht zum Leidwesen meiner Eltern. (lacht)
Dann aufs Fahrrad und ab. Gerade so auf den letzten Drücker zum Vespern wieder daheim und am liebsten danach noch mal eine Stunde fort. Das war bei mir schon immer so. Also ich freute mich aufs Heimkommen und wenn ich daheim war, dann wäre ich am liebsten schon wieder fortgegangen. Ich war als Kind oft fort und mit Leuten unterwegs. Eben nie ein Stubenhocker. Rumliegen im Garten oder am Strand. Das war ich nie.


Könntest du eines deiner Ehrenämter oder deine Berufe jemals aufgeben?


Ja. Ich sage aber nicht was. Auf jeden Fall nicht M.U.T. Mittlerweile ist M.U.T. präsent in meinem Leben. Ich verbringe 5-8 Wochen pro Jahr in Rumänien und in Togo. Das Problem ist, du findest keine Nachfolger für solche Sachen, weil ich natürlich auch nicht nur der bin, der mithilft, sondern auch vorne dran mit organisieren und so weiter. Ich mache auch noch andere Sachen, die ich einfach punktuell unterstütze. Mal einzelne Tage bei Aufbauten oder Abbauten, auch Jugendprojekte und so weiter hat man halt mal mitgemacht, wo M.U.T. noch nicht so stark präsent war.

Warum ein Beruf im Handwerk?

 
Weil bei mir am Anfang nie der Plan Berufsfeuerwehr da war. Ich habe eigentlich meinen Traumberuf Schreiner gelernt und da war das eben so, dass du als Schreiner einfach keine Familie ernähren konntest oder nur sehr schwer, weil das einfach relativ schlecht bezahlt war. Es gab damals wenig Arbeit bei den Schreinern hier in Hall und dann war ich in der freiwilligen Feuerwehr. Ein guter Kumpel von mir hat gesagt: „Du Feuerwehrmann, das passt. Da bist du genau der Richtige.“ Am Anfang habe ich halt gesagt: Feuerwehrmann, das ist so ein kleiner Kindertraum, aber kein Beruf, den ich mir vorstellen kann. Dann hab ich mich halt damit beschäftigt und gemerkt, dass mir das liegen könnte. Improvisieren, von allem ein bisschen, wenn es gilt dann mal richtig kämpfen, hab mich beworben und bin genommen worden. Das kann ich bis heute nicht verstehen. (lacht)


Aus heutiger Sicht war es das Beste, was ich machen konnte für meine Familie, aber auch für meine ganzen Ehrenämter. Die könnte ich niemals in dem Maße machen, wenn ich einen Job hätte, wo ich von 7-17 Uhr schaffen gehe. Es geht nur wegen meinem Schichtrhythmus. Es war das Beste das Handwerk zu verlassen.


Ist die nächste Rumänientour bereits in Planung?


Ja.


Wer oder was motiviert dich einfach ständig weiter zu machen?


Ich kann nicht ruhig sitzen. Selbst, wenn ich krank bin. Der erste Tag geht noch, am zweiten laufe ich dann schon durchs Haus und werde ungeduldig. Am dritten bin ich dann nicht mehr auszuhalten, weil es mir einfach stinkelangweilig ist. Mir wird es auch im Urlaub nach 3 Tagen langweilig. Ich bin nicht der Urlaubstyp. Ich sehe eine Rumänienfahrt als Urlaub auch, wenn wir dort arbeiten. Wenn es manchmal stressig ist, ist es für mich viel entspannter, als irgendwo am Meer zu liegen. In Rumänien bin ich in der Regel mit Leuten, die ich mir aussuche oder wo ich einfach weiß, die fahren gerne mit, die wollen da unten auch was erreichen. Das sind Leute, wo ich sage, mit denen habe ich echt Bock die Zeit zu verbringen. Tagsüber wird gearbeitet und abends hocken wir zusammen, trinken ein Bier und haben ein Haufen Spaß. Wir haben auch tagsüber Spaß. Da wird einmal gefrotzelt, da wird ein bisschen Mobbing betrieben. Wenn wir dann heimfahren, ist für mich unser Ding erledigt. Wie definiert man also Urlaub? Für mich ist genau das Urlaub. Ich bin zufrieden und komme vollkommen tiefenentspannt heim. Da hat mich ein Familienvater angesprochen, ob wir bei ihm nicht auch einen Anbau machen können, wie bereits bei einer anderen Familie. Die Familien dort haben miserable Lebensumstände. Da reizt mich immer die Herausforderung. Also wenn einer kommt und sagt: „Hey, gehen wir das Projekt an?“ und ich habe das noch nie gemacht oder ich sehe: oh, das wird knifflig, dann hat er mich an der richtigen Stelle gepackt. Dann kommt bei mir der Jagdinstinkt raus und ich will das einfach machen, weil es irgendwie gehen muss. Man tüftelt im Team so lange mit abstrusen Gedanken, bis aus einer einfachen Lösung eine Mischlösung wird, die dann perfekt ist oder nahezu perfekt.


Wie würdest du dich selbst in drei Worten beschreiben?

 
(lacht und überlegt lange)


Oje oje oje (lacht) oder: Nicht ganz normal! (lacht)


Vielen Dank Robert für die Einblicke in dein Leben und deine heldenhafte Arbeit.

Robert Hoppe – Ein Mann, der sich für seine Mitmenschen einsetzt, ihnen Perspektiven bietet und selbstlos Leben rettet. Ein Mann, der andere inspiriert und für so viele Menschen ein Held ist!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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