Wie Wedding-Planner, nur anders
Ein Mutter-Tochter-Gespann führt das Unternehmen Lindenmeyer in Crailsheim bereits in vierter Generation. Worauf Josefin und Undine Ewert bei ihrer Arbeit besonders Wert legen.
"Das Geschäft gebe ich nicht auf." Das waren Undine Ewerts Worte, nachdem ihr Mann 2013 unerwartet verstarb. Plötzlich wurde die heute 63-Jährige mit der alleinigen Verantwortung für das Bestattungsinstitut Lindenmeyer konfrontiert - von einem Tag auf den anderen musste sie ihre neue Rolle als Geschäftsführerin finden. Unterstützung kam aus ihrer Familie, insbesondere von Tochter Josefin Ewert, die sich zunächst beurlauben ließ, um ihrer Mutter beizustehen.
Dabei hat das Unternehmen eine lange Geschichte. Ursprünglich gehörte es der Familie Lindenmeyer, bevor Undine Ewerts Schwiegereltern es übernahmen. Der Name blieb aus gutem Grund erhalten: "Das ist ein Markenname, für den viel Geld gezahlt wurde. Die Leute hier in Crailsheim kennen ihn", erklärt Undine Ewert - und auch heute ist das Institut unter seinem traditionellen Namen bekannt.
Ihr Mann übernahm am 1. Juli 2000 die Geschäftsführung. Seine Frau war als Angestellte tätig. "Eigentlich war mein Mann derjenige, der das in erster Linie selbstständig machen wollte. Ich hatte ein bisschen Bedenken, weil wir dafür von Norddeutschland hier nach Süddeutschland umziehen mussten und das mit zwei schulpflichtigen Kindern", erinnert sich Undine Ewert zurück.
Josefin Ewert hatte ihr Leben ursprünglich in Stuttgart. Dort machte sie eine kaufmännische Ausbildung und managte das Büro einer Fahrschule sowie das einer Agentur. Doch als der Familienbetrieb vor einer entscheidenden Umstrukturierung stand, entschied sie sich, ihre Mutter langfristig zu unterstützen. Seit vergangenem Jahr teilen sie sich die Geschäftsführung und gründeten eine OHG.
Neben der Tradition steht für beide vor allem die Menschlichkeit im Mittelpunkt. Der Umgang mit Trauernden erfordert Einfühlungsvermögen, Geduld und absolute Verlässlichkeit. "Wir sind immer erreichbar. Es geht immer jemand ans Telefon", betont Undine Ewert. Ihre Tochter ergänzt: "Wir sind wie Wedding-Planner - nur für Bestattungen. Alles muss in kürzester Zeit organisiert werden. Wir halten den roten Faden und sind der Fels in der Brandung für unsere Kunden." Fester Bestandteil des Betriebes ist auch Hund Pepe.
Im nächsten Jahr übergibt Undine Ewert die Inhaberschaft des Unternehmens an ihre Tochter. "Ich bin jetzt einfach in einem Alter, in dem ich über die Nachfolge nachdenken muss", sagt sie. "Da brauche ich jetzt nicht mehr drüber nachdenken. Es hat sich im Laufe der Jahre ergeben."
Wenn ihre Tochter alleinige Inhaberin wird, bleibt Undine Ewert weiterhin in der Kundenbetreuung tätig. "Ich möchte auch wieder ein bisschen mehr Trauerreden halten." Dafür sei zuletzt doch recht wenig Zeit gewesen. Privat möchte sie zudem mehr Zeit mit ihren drei Enkelkindern verbringen.
Die 63-Jährige empfindet Stolz, wenn sie an die Übergabe denkt: "Ich bin jetzt für Crailsheim 25 Jahre Bestatterin und wir haben hier ziemlich bei null angefangen mein Mann und ich." Besonders freut sie sich, dass ihre Tochter weitermacht.
Josefin Ewert ist durch Erfahrungen und Unterstützung ihrer Eltern in das Berufsfeld hineingewachsen. "Ich hab früher meinem Vater auch mal bei Einbettungen geholfen. Da war ich 16." Nach verschiedenen beruflichen Stationen entschied sie sich endgültig für das Bestattungswesen. "Dann hab ich gemerkt: Mein herz hängt am Bestattungsunternehmen."
Die Zusammenarbeit als Mutter und Tochter erforderte klare Absprachen. Mittlerweile sind sie ein eingespieltes Team. Für die Zukunft möchte Josefin Ewert den Firmennamen vorerst beibehalten, da er in der Region etabliert ist. Zudem wünsche sie sich "ganz arg", dass sie einfach größere Büroräume findet. "So können auch mal Beratungen parallel stattfinden."
Beide haben über die Jahre viel aus ihrer praktischen Erfahrung gelernt und durch Weiterbildungen ergänzt. "Von meinem Vater habe ich dieses ganze Praktische, das Einbetten, wie man mit Verstorbenen umgeht, gelernt." Durch den großen Erfahrungsschatz ihrer Mutter eignete sich die 39-Jährige alle Aufgaben der Geschäftsführung an. Für sie ändert sich mit der Übernahme nicht viel. "Ich habe auf jeden Fall Respekt davor, ganz alleine damit dazustehen, aber ich weiß, dass meine Mutter mir als Ratgeberin trotzdem immer noch zur Seite steht."
Auch die Rolle des Bestatters beziehungsweise der Bestatterin hat sich stark gewandelt, von einer rein praktischen Tätigkeit hin zu einer umfassenden Dienstleistung. Die Trauerfeier und die persönliche Abschiednahme rücken zunehmend in den Mittelpunkt. Besonders Urnenbestattungen ermöglichen mehr Gestaltungsspielraum. "Dadurch werden die Trauerfeiern auch immer individueller", berichtet Undine Ewert und fügt hinzu: "Da sind auch wir immer wieder neu gefordert."
Josefin und Undine Ewert im Gespräch
Wie
schaffen Sie es, dass sie diese extreme Traurigkeit und die Schicksale nicht
mit nach Hause nehmen und Sie das auf Dauer nicht belastet?
J. Ewert: Ich glaub das ist Typsache. Das kann man nicht lernen. Ich glaub das muss man einfach auf eine gewisse Art und Weise schon in sich haben und auch können. Eine gewisse Einstellung dazu haben ist wichtig. Ich denke, dass ich den Leuten helfe und sie begleite, aber es ist nicht mein Schicksal in dem Moment. Ich kann für die Leute da sein und ihnen in der Situation den Weg weisen, was den letzten Abschied angeht, was auch eine dankbare Sache ist.
U. Ewert: Das finde ich auch. Typsache ist es bestimmt, aber auch eine Einstellungssache. Die Einstellung zu unserer Arbeit ist: wir wollen die Leute in dieser schlimmen, traurigen Situation helfen und ihnen beistehen. Beistehen kann ich ihnen nur, wenn ich in der Situation diejenige bin, die stark ist und den Kopf oben behält, das ganze anleitet und die Leute durch diese Zeit führt. Die Angehörigen verlassen sich auch ein Stück weit, dass sie alles auf uns abladen können. Wir können Mitgefühl haben und das haben wir auch, aber es ist nicht unsere Trauer und wir haben einfach die Einstellung: Wir sind in dieser Situation für die Leute da.
J. Ewert: Ich glaube das ist Arbeit mit Menschen einfach.
U. Ewert: Aber es gibt natürlich auch, das darf man nicht verschweigen, Trauerfälle, die uns auch begleiten. Da haben wir auch wirklich für uns damit zu tun.
J. Ewert: An die erinnert man sich dann auch. Die behält man im Kopf.
U. Ewert: Zum Beispiel, wenn Kinder sterben. Wenn Eltern um ihre Kinder trauern müssen, egal wie alt die Kinder sind oder auch die Eltern. Das können erwachsene Kinder sein oder kleine Kinder, wenn Eltern am Grab ihrer Kinder stehen. Das ist einfach was, was keiner von uns nach Feierabend so einfach wegsteckt. Das beschäftigt einen dann auch mal tagelang oder auch wochenlang.
J. Ewert zu ihrer Mutter: Aber das hast du eigentlich gut gesagt. Es ist auch ein Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl. Mitgefühl haben wir immer, aber wir leiden nicht mit.
Wie war
das für Sie beide? In einem sensiblen Berufsfeld als Mutter und Tochter
zusammenzuarbeiten?
J. Ewert: Wir sind da beide so reingewachsen, weil ich auch wie gesagt immer mal wieder woanders gearbeitet habe. Als ich dann hier voll gearbeitet hab, war es natürlich auch so, dass wir uns auch über genau diesen Punkt vorher Gedanken gemacht haben. Wir sind da zusammen reingewachsen, weil wir privat Mutter und Tochter waren und hier waren wir Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin. Da mussten wir zusammen einen Weg finden, haben uns hingesetzt und ganz klare Regelungen und Absprachen getroffen. Jetzt sind wir ein supergutes Team. Absprachen hat es aber auch immer wieder gebraucht. Das muss man auch sagen, weil sich unsere Rollen immer wieder verändert haben. Dann hab ich auch Aufgaben der Geschäftsführung übernommen und letztes Jahr die Hälfte des Unternehmens. Das heißt, unsere Rollen haben sich auch innerhalb des Unternehmens immer wieder verändert. Da haben wir immer wieder überlegt, was heißt das genau. Wie wäre es, wenn wir jetzt nicht Mutter und Tochter wären. Wie würden wir dann agieren und so groß ist der Unterschied dann gar nicht. Klar, man hat ein anderes Vertrauensverhältnis zueinander und eine andere Basis, aber letzten Endes ist es von den Gegebenheiten her gar nicht so viel anders.
U. Ewert: Eigentlich haben wir schon immer
ein sehr gutes Verhältnis zueinander gehabt. Wir beide haben uns immer prima
verstanden. Wir hatten wenig Diskrepanzen auch als du noch Kind warst, aber wir
haben ja hier andere Rollen. Wir sind hier nicht Mutter und Tochter, sondern
wir sind jetzt gleichberechtigte Partner. Vorher waren wir Arbeitgeberin und
Arbeitnehmerin und dessen mussten wir uns auch wirklich bewusst sein.
Was ist
ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
J. Ewert: Ich glaube, dass man das einfach
unbedingt will und Interesse hat. Ich habe die aller schönste Arbeit. Ich glaube, wenn man
Interesse an Menschen hat. Dann, dass wir eben sehr extrovertiert sind. So würde
ich uns beschreiben. Dieses nordisch-Extrovertierte. (lacht) Immer fragen und
mit der Zeit gehen, Interesse haben am Beruf und wir haben uns natürlich auch
immer weitergebildet.
U.
Ewert: Ich denke, was
man mit Begeisterung und Leidenschaft macht, das kann man gut machen. Wir
arbeiten beide sehr strukturiert.
J.
Ewert: Wir sind
beide sehr multitaskingfähig. Was man in dem Beruf auf jeden Fall sein muss. Innerhalb
von kürzester Zeit kann viel auf einen einprasselt, was man irgendwie händeln
muss. Das können wir supergut. Würd ich sagen.
U.
Ewert: Und immer
nach vorne schauen. Wir bilden uns weiter, wir nehmen jedes Wissen mit, das uns
über den Weg läuft, wir interessieren uns für unsere Arbeit und schauen nach
links und rechts. Das ist auch was, das uns weitergebracht hat.
Jetzt
steht hier einer vor der Tür, ein Schulabbrecher, keinen Abschluss und sagt:
ich möchte unbedingt Bestatter werden. Geben Sie ihm eine Chance?
U.
Ewert und J. Ewert:
Ja. Kommt auf die Persönlichkeit an.
J.
Ewert: Wenn das
jemand ist, der sagt: Er will es unbedingt und für uns von der Persönlichkeit
her den Eindruck macht, dann auf jeden Fall. Dann würden wir es probieren.
U.
Ewert: Es kommt
nicht auf einen Abschluss an, sondern es kommt darauf an mit welcher Begeisterung,
mit welcher Intension jemand etwas machen möchte. Allerdings muss man auch sagen,
man braucht natürlich um Bestatter zu sein auch eine gewisse gute Schulbildung.
Man braucht sehr gute Deutschkenntnisse. Wir formulieren Trauertexte, drucken
Karten. Man muss sich sehr gut am Computer auskennen mit Grafikdesignprogrammen
arbeiten können oder zumindest das lernen können. Nur ein Abschluss ist kein
Garant dafür, dass man irgendwas gut macht.
Würden
Sie jungen Menschen raten mutig eigene Wege zu gehen, auch wenn sie jetzt nicht
den klassische Bildungsweg einschlagen?
U.
Ewert: Unbedingt.
Es ist schon so, dass die Zeiten vorbei sind, in denen jemand nach der
Berufsausbildung 40 Jahre bis zu seiner Rente im gleichen Betrieb oder im
gleichen Beruf bleibt. Heut ist es doch sowieso so, dass sich die jungen Leute
nach links und rechts umschauen und einfach auch nochmal was Neues
ausprobieren. Das finde ich einfach begrüßenswert. Manchmal stellt man auch
erst später fest, was eigentlich die eigene Passion ist. Warum sollte man dem
nicht nachgeben und dann eine andere Sache mindestens genauso gut machen.
J.
Ewert: Grad
heutzutage hat man so viele Möglichkeiten. In unserer Generation oder die
danach haben ja alle Chance und Möglichkeiten. Wenn man dann für sich tief drin
weiß: hey das kann ich gut, das will ich unbedingt machen, auf jeden Fall.
Sie
haben ihre Kinder also früher bedingungslos unterstützt?
U.
Ewert: Ja, das
muss ich sagen. Unser Sohn hat gesagt er will studieren und er wusste auch
gleich, was er studieren möchte. Meine Tochter hat gesagt, sie weiß nicht so
richtig mit Studium. Da haben wir gesagt, mach doch eine Ausbildung, überlege
in Ruhe was du machen möchtest. Wir haben sie eigentlich immer alleine ihren
Weg entscheiden lassen und haben sie dabei immer begleitet. Wir haben immer
gesagt, dass sie zu uns kommen können, wenn sie merken, dass es nicht der
richtige Weg ist. Macht nicht das, was von euch erwartet wird. Kinder müssen
meiner Meinung nach das machen, was ihnen Spaß macht. Wo ihre Leidenschaft und
ihr Interesse liegt. Ich habe immer zu unseren Kinder gesagt: Nur das, was ihr
gerne macht, könnt ihr auch gut machen. Daran glaube ich auch heute noch.
Für Sie
ist ihre Mutter dann auch eine Stütze, die sie schon ihr Leben lang begleitet?
J. Ewert: Auf jeden Fall.
Man
hört Bestatter und denkt: oh nein Tote, einbetten. Was ist wirklich
herausfordernd?
J.
Ewert: Eigentlich
hört man das genauso, wie Sie das gesagt haben. Das Herausforderndste ist
eigentlich für mich nicht die Verstorbenen sondern mit den Angehörigen
umzugehen, weil es eben eine Arbeit mit Menschen ist. Das ist aber auch das Schönste.
Ich finde mein Beruf ist der abwechslungsreichste Beruf, den man haben kann.
Man hat bürotechnische Aufgaben, man arbeitet aber auch mit den Kunden
zusammen. Es ist eine super kreative Arbeit, sehr organisatorisch. Man ist ein
Allrounder und das ist das Schöne.
U.
Ewert: Der Umgang mit
den Kunden. Das ist eigentlich das Anspruchsvollste. Eine Herausforderung finde
ich auch die 24/7 Bereitschaft. Die Arbeit mit den Toten, wenn man das möchte,
kann man lernen und alles andere auch, aber wenn man hier anfangen möchte, muss
man sich auch bewusst sein: es gibt keine geregelten Arbeitszeiten. Es gibt
auch keinen geregelten Arbeitstag. Wenn wir morgens herkommen und wissen wir
haben heute drei Beerdigungen zu begleiten, kann das noch lange nicht alles
sein. Wenn dann noch zwei Familien anrufen, sie haben einen Trauerfall oder
jemand ruft abends an und möchten noch kommen oder wir müssen noch in eine
Wohnung und einen Verstorbenen versorgen und abholen. Es gibt nie eine
Regelmäßigkeit. Man weiß nie, wann ist man fertig, was kommt auf uns zu. Das
ist auch eine große Herausforderung und damit muss man umgehen können. Mit
dieser Flexibilität auch im Kopf.
J.
Ewert: Das ist
auch das, was die Bewerber umstimmt. Das ist wirklich nicht so einfach.
U.
Ewert: Wir haben
auch hier im Laufe des Tages Leerlaufstunden. Da haben wir eine Familie
begleitet, der Verstorbene ist versorgt, wir haben alles organisiert und die
nächste Familie kommt in drei Stunden. Diese drei Stunden muss man für sich
nutzen und füllen können. Da gibt’s für uns beide auch immer Büroarbeit. Manche können damit überhaupt
nicht umgehen. Die möchten wirklich ihre geregelten 8 Stunden Arbeitszeit und
dann Feierabend haben.
J.
Ewert: Das geht
hier halt nicht.
U.
Ewert: Wer so
tickt oder wer mit dieser Flexibilität nicht umgehen kann, der ist denke ich vielleicht
nicht so supergut geeignet für diese Beruf.
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