Überholungsmanöver endet vor Gericht
Ein 28-Jähriger hat sich vor dem Amtsgericht Crailsheim für einen riskanten Überholvorgang verantworten müssen. Unweit der Stelle nehmen viele Autofahrer die Abkürzung über den Schummhof.
Den Schummhof an der Nordwest-Umgehung Crailsheim sehen
viele Autofahrer als willkommene Abkürzung, um den täglichen Staus im
Feierabendverkehr zu entkommen. Vor allem an der Ampelkreuzung zur B290 gehören
lange Autoschlangen am Abend zum Alltag. Immer wieder kommt es zu riskanten
Manövern – eines davon endet vor Gericht.
Ein 28-jähriger SHK-Anlagenmechaniker aus Brettheim muss
sich am Amtsgericht Crailsheim verantworten, nachdem er am 13. Februar 2025
gegen 18.35 Uhr auf der Nordwestumgehung mehrere Fahrzeuge überholt hatte –
trotz Gegenverkehr. Laut Anklage müssen entgegenkommende Autos auf den
Grünstreifen ausweichen, um eine Kollision zu verhindern. Zwei Pkw, ein Peugeot
und ein VW Golf, werden dabei beschädigt.
Der Angeklagte selbst habe nach eigenen Angaben nicht die
Absicht gehabt, über den Schummhof auszuweichen, wie es viele
Verkehrsteilnehmer in solchen Situationen tun. Stattdessen wollte er den
gesamten Stau überholen, um möglichst schnell an die Kreuzung zur B290 zu
gelangen.
Amtsanwältin Yakut spricht in ihrem Plädoyer von einem grob
verkehrswidrigen Verhalten. Der Angeklagte habe „den Straßenverkehr fahrlässig
gefährdet“ und sei ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs.
Der 28-Jährige, rumänischer Herkunft, sei am fraglichen
Abend mit seinem 7-jährigen Sohn im Wagen eines Freundes unterwegs gewesen. In
Brettheim lebt er mit seiner Ehefrau, die derzeit arbeitssuchend ist, und zwei
Kindern. Vor Gericht erklärt der Anlagenmechaniker, er habe an der Kreuzung zur
B290 links abbiegen wollen. Weil er irrtümlich davon ausging, dass die
Linksabbiegespur gleich beginne, habe er sich entschlossen, die Kolonne zu
überholen. Als ihm Fahrzeuge entgegenkamen, habe er abgebremst – eine Kollision
sei ihm nicht aufgefallen.
Sein Verteidiger Claudiu Knepp aus Köln, den er auch
aufgrund gemeinsamer Sprachkenntnisse engagiert hatte, argumentiert, es habe
sich um eine Fehleinschätzung gehandelt, nicht um Rücksichtslosigkeit.
Zu den geladenen Zeugen gehört auch Polizeihauptkommissar
Schäfer, der die Ermittlungen führte. Er spricht von schwierigen
Sichtverhältnissen: „Es war dunkel, nass und die Stelle nicht beleuchtet.“
Viele Autofahrer versuchen bei Feierabendverkehr, den Stau an der Ampel durch
Schleichwege über den Schummhof zu umgehen.
Der Gegenverkehr habe stark ausweichen müssen, Spuren im
Grünstreifen belegen die Schilderungen der Zeugen. Der 28-Jährige fuhr nach dem
Vorfall weiter. Am Folgetag sei er im Polizeirevier Crailsheim erschienen. Laut
Schäfer habe der Angeklagte dort behauptet, dass er davon ausging, die
Abbiegespur noch rechtzeitig zu erreichen. Den Führerschein des Angeklagten
habe Schäfer einen Tag zuvor beschlagnahmt.
In der Verhandlung schildern mehrere Autofahrer die
gefährliche Situation eindrücklich. Ein 31-jähriger Zeuge berichtet, er habe
eine Vollbremsung hinlegen müssen. Sein Wagen wurde dennoch beschädigt: „Ich
wusste erst gar nicht, dass es ein Auto war. Mit nur einem Licht dachte ich, es
wäre ein Roller.“
Eine 37-jährige Mutter sagt: „Ich dachte nur: Oh Gott –
jetzt kracht es.“ Andere Zeugen berichten, dass der Angeklagte mehrere Autos
hintereinander überholt habe und zeitweise drei Fahrzeuge nebeneinander auf der
Fahrbahn fuhren.
Die Richterin verlies zudem das Führungszeugnis und die
Einträge im Fahreignungsregister. Dort finden sich drei Verstöße wegen
Geschwindigkeitsüberschreitungen, bereits ein Fahrverbot und mehrere Punkte in
Flensburg. „Sie sind gerne mal schnell unterwegs“, kommentiert sie. Auch eine
frühere Sachbeschädigung taucht im Führungszeugnis auf. Amtsanwältin Yakut
beantragt deshalb 50 Tagessätze à 50 Euro sowie den Entzug der Fahrerlaubnis
mit achtmonatiger Sperrfrist.
Verteidiger Knepp argumentiert, sein Mandant habe die
Abbiegespur zu früh erwartet und sei von einer falschen Annahme ausgegangen.
„Hätte er den Gegenverkehr gesehen, hätte er nicht überholt.“ Zudem habe er
seinen Sohn im Wagen gehabt – ein starkes Indiz gegen vorsätzliches Handeln. Ein
befristete Fahrverbot sei ausreichend.
Richterin Uta Herrmann folgt dieser Argumentation teilweise.
Sie verhängt eine Geldstrafe von 2.500 Euro und ein sechsmonatiges Fahrverbot.
„Der Angeklagte hat sich trotz Stau zum Überholen entschlossen und den
Gegenverkehr gefährdet. Es war ein Blindflug.“ Das defekte Licht habe die
Situation verschärft, von einem „Augenblickversagen“ könne keine Rede sein. „Wir
können von Glück reden, dass nur Sachschaden entstanden ist.“ Herrmann warnt
ausdrücklich, dass jede Fahrt während der Sperre strafbar wäre. Sie hofft dem
Angeklagten mit dem Fahrverbot einen „Denkzettel“ verpasst zu haben.
Fahrverbot vs. Führerscheinentzug
Ein Fahrverbot bedeutet, dass der Führerschein für eine
bestimmte Zeit bei der Behörde verbleibt und anschließend zurückgegeben wird.
Ein Entzug der Fahrerlaubnis hingegen, nehme dem Inhaber das Recht zum Führen
von Kraftfahrzeugen. Nach einer Sperrfrist von mindestens sechs Monaten muss
eine neue Fahrerlaubnis beantragt werden, oft verbunden mit einer
medizinisch-psychologischen Untersuchung.



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